Wie wir psychologische Beratung normalisieren und richtig reagieren können
Aufgrund der Beobachtung einiger Ereignisse in meinem Umfeld und früher eigener Erfahrungen ist es mir ein Anliegen, dass wir Psychotherapie oder psychologische Beratung normalisieren. Menschen in meinem Umfeld, die sich entschieden haben, diese Angebote in Anspruch zu nehmen, können nicht mit jedem darüber sprechen. Nicht einmal die eigene Familie oder enge Freunde reagieren verständnisvoll und interessiert, sondern eiern um das Thema herum oder versuchen es, nicht anzusprechen.
Es wird Zeit, dass wir psychologische Beratung normalisieren.
- Ich frage mich:
Wieso hat psychische oder seelische Gesundheit und die damit verbundenen Maßnahmen so einen niedrigen Stellenwert in unserer Gesellschaft? - Wieso reden wir nicht darüber?
- Wieso ist das Aufsuchen und in Anspruch Nehmen von Hilfe in diesem Bereich nach wie vor ein Tabu?
Menschen, die so sehr unter ihren Mustern, Zwängen und Gedanken leiden, dass sie von Medizinern als „krank“ eingestuft werden, werden von ihrem nächsten Umfeld manchmal wie Aliens behandelt. Als wären sie „keine von ihnen“ mehr, sobald sie Hilfe suchen oder in Anspruch nehmen.
Dabei führen so viele Menschen ein nicht weniger neurotisches Leben als die „Diagnostizierten“ – ihre Ticks und schrägen, oft gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen gehören lediglich zu den gesellschaftlich Akzeptierten.
Es sollte gleichgestellt sein, ob jemand zum Physiotherapeuten, um etwas gegen eine körperliche Fehlbelastung zu unternehmen und Schmerzen zu lindern, oder ob jemand zur psychologischen Beratung oder Psychotherapeuten geht, um etwas gegen die psychische Fehlbelastung zu unternehmen und seelische Schmerzen zu lindern. Ersteres wird ganz locker im Kaffeehaus besprochen und Empfehlungen ausgetauscht – letzteres nur im „engsten Vertrautenkreis“ und in manchen Familien gar nicht.
Dabei würde es den Menschen gut tun, einfach darüber sprechen zu können, und sich nicht wie ein „Aussätziger“ behandelt zu fühlen. Dieses Nicht-Ansprechen von belastenden Ereignissen oder Diagnosen rund um das Thema Psychiatrie oder Psychosomatik isoliert betroffenen Menschen zusätzlich und erschwert ihnen zusätzlich die Beziehungspflege zu anderen.
Eine Klientin formulierte es treffend: „Sie lächeln dich alle so vorsichtig an, als hätten sie Angst, dass du gleich explodierst.“ Auch ich habe als Angehörige die Erfahrung gemacht, dass nach dem Suizidversuch meines Vaters mich kaum jemand direkt ansprach. Viele machten einen großen Bogen. Ich hatte das Gefühl, dass Menschen unsicher sind und Angst haben, etwas Falsches oder Unpassendes zu sagen, deswegen erstarrten sie oder vermieden das Thema offensichtlich im Gespräch mit mir.
Damit wir psychologische Erkrankungen, Leiden und psychologische Beratung normalisieren, braucht es nur ein offenes Ohr und ehrliches Interesse am Wohlergehen der betroffenen Menschen
Ja und was soll man dann am besten sagen oder nicht sagen?
–> Meine Vorschläge für brauchbare und weniger brauchbare Sätze im Umgang mit Menschen, die gerade psychisch eine schwierige Zeit durchmachen oder ihre Angehörigen:
Unbrauchbar:
❌Nichts sagen und elegant das Thema wechseln …
❌„Hast du schon einmal XY probiert? Das hat mir sehr geholfen …“ – Leute – ungefragte Ratschläge braucht niemand – und zwar niemals.
Brauchbar:
🌱„Wie geht es dir aktuell damit?“ (nur wenn du fürs Zuhören bereit bist)
🌱„Möchtest du darüber sprechen?“ (Und die legitime Antwort: „eigentlich nicht“ akzeptieren)
🌱„Gibt es etwas, womit ich dich unterstützen könnte?“
🌱„Ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll.“
🌱„Ich bin da, wenn du möchtest.“
Ehrlichkeit. Mitgefühl. Da sein. Zuhören.
Keine Ratschläge. Keine Forderungen. Kein Drama. Kein Totschweigen. Kein Getuschel.
Falls dir weitere Vorschläge einfallen oder Ideen, wie wir psychische Belastungen, Erkrankungen, oder Psychotherapie und psychologische Beratung normalisieren können, schreibe mir gern eine Mail.